Das Missverständnis (franz. Le Malentendu) ist ein Theaterstück, das von Albert Camus 1943 im besetzten Paris geschrieben wurde.
In einer kühlen Versuchsanordnung greift Camus hier das Thema von der Heimkehr des verlorenen Sohnes auf, wobei an die Stelle fröhlichen Wiedererkennens das Missverständnis tritt
Eine Mutter lebt mit ihrer Tochter Martha in einer einsamen Gegend in Böhmen. Die beiden führen ein Hotel, welches schlecht besucht ist. Martha möchte am Meer leben, doch dazu benötigt sie viel Geld. Sie bringen deshalb ihre Gäste um, damit sie mit deren Geld ein neues Leben am Meer anfangen können. Aber eines Tages kommt der lange verschollene Sohn (Jan) der Mutter nach Hause. Er war vor 20 Jahren nach Afrika ausgewandert. Dort ist er vermögend geworden und hat Maria geheiratet. Leider gibt er sich, entgegen dem Rat seiner Frau, als Fremden aus, da er als Sohn von ihnen erkannt werden möchte. Die Mutter erkennt ihren Sohn jedoch nicht wieder, da sie aus Erfahrung weiß, dass man diejenigen, die man nicht ansieht, leichter töten kann. Der Sohn schickt seine Frau fort, da er erst einmal allein da sein möchte. Maria versteht ihn nicht, verlässt aber angstvoll und widerwillig das Hotel. In der Nacht bringen Mutter und Tochter unwissend Jan um, indem sie ihm einen Schlaftrunk mischen und ihn, während er schläft, in den Fluss, welcher in der Nähe fließt, werfen. Am nächsten Morgen erfahren Mutter und Tochter seinen richtigen Namen, indem der stets gegenwärtige, aber nie sprechende Knecht ihnen Jans Ausweis überreicht. Die Mutter entdeckt nun die Liebe in sich wieder und beschließt ihrem Sohn zu folgen. Martha jedoch hasst ihr sinnloses Leben umso mehr und möchte sich in ihrem Zimmer umbringen, da kommt Maria, um ihren Mann abzuholen. Sie erfährt, dass er von seiner Schwester und seiner Mutter getötet wurde. Und obwohl sie alles getan hat, um glücklich zu werden, bleibt sie allein zurück.
Ursprünglich war „Das Missverständnis“ im Herbst 2014 als Workshop geplant. Er sollte den Vereinsmitgliedern die Möglichkeit geben, eine Produktion für Erwachsene mit ihren vielen Schritten von der Idee bis zur Inszenierung durchzuspielen. Ziel war auch, sie in die Lage zu versetzen, selbst zu inszenieren.Im Gegensatz zum üblichen Lesen von verschiedenen Rollenbüchern in der Hoffnung, dass etwas Inspirierendes dabei ist, entstand die Idee zu diesem Projekt durch die SWF-Fernsehproduktion „Das Mißverständnis“ von 1966. Elisabeth Flickenschildt agierte in dieser Inszenierung fast ohne Mimik. Ihr Gesicht und Hände waren weiß, was die Schwarzweißaufnahmetechnik noch verstärkte. Das Stück in dieser klassischen Form als Figurentheater zu spielen, drängte sich auf.
Nach Studium des Originaltextes, der wie die einstündige Fernsehproduktion gekürzt werden sollte, stand fest: Das muss es sein. Die Kürzung des Textes war uns wichtig, um auch ein jüngeres Publikum nicht durch langatmige Monologe zu verscheuchen. Das in der Vergangenheit innerhalb der Familie gebräuchliche „Sie“ wurde durch das heute gebräuchliche „Du“ ersetzt, denn wir wollten es wie es im Vorwort geschrieben steht: …das antike Schicksalsthema in eine zeitgenössische Fabel zu kleiden.
Im Laufe des Workshops wurden Hintergrundinformationen gesichtet: Leben und Werk von Albert Camus, Was ist Existenzialismus? Zur Bedeutung der Liebe im Werk von Albert Camus, ... Jeder Teilnehmer erhielt einen Projektordner, wo alle Informationen gesammelt und später nachgeschlagen werden konnten.
Es wurden allgemeine Schauspieltechniken studiert und geprobt, hier vor allem Method Acting nach Lee Strasberg. Die Technik wurde gezielt auf das Stück angewendet.
Während des Workshops wuchs bei allen Beteiligten die Begeisterung und damit der Wunsch, den Workshop abzukürzen und das Stück für Zuschauer aufzuführen.
Die Frage, die wir uns bei der Erarbeitung des Stückes immer wieder stellen lautet: Warum Figurentheater? Im Grunde ist doch eigentlich ein Schauspiel. Doch die Figuren ersetzen in dieser Inszenierung nicht einfach nur die Schauspieler, sondern sie erweitern deren Persönlichkeit. Sie sind Schutzschild und Dämon, Vertrauter und Sündenbock. (Fast) jeder Spieler trägt eine lebensgroße Figur vor sich her, mit der er den anderen etwas vorspielt. Sei es Jan, der als Sohn nicht erkannt werden will und als Gast auftritt. Seine Schwester Martha, die ihre Figur wie ein Schutzschild vor Gefühlen trägt.
So ist die Inszenierung als gemischtes Schau- und Figurenspiel angelegt. Während die kalte und verlogene Seite der Protagonisten als Figuren gespielt werden, hinter denen sich die Menschen verstecken, um sich gegenseitig etwas vorzuspielen, wird die menschliche von den Schauspielern selbst verkörpert. So hat z. B. Maria, die in ihrer emotionalen Art stets Angst um Jan hat und eine Nacht der Trennung schwer erträgt, gar keine Figur, denn sie macht niemandem etwas vor.Unsere Intension ist es vor allem, die Moral des Stückes aufzuzeigen: Aufrichtigkeit. Viele Menschen verstecken sich heute hinter Facebook-Profilen und Second Live Avatare, doch niemand kennt sich wirklich. Man traut sich nicht, die Wahrheit zu sagen. Man kann auch sein Leben planen so viel man will. Es kommt anders als man denkt, denn es gibt keinen Masterplan zum großen Glück. Man kann sich auch mit Geld kein Glück zu kaufen. Seid offen und ehrlich zueinander und ihr habt die Chance, das Glück im gleichen Moment zu erfahren. Aus dem Vorwort: Wenn der Mensch erkannt werden will, muss er schlicht und einfach sagen, wer er ist. Schweigt oder lügt er, so stirbt er allein, und alles um ihn herum fällt dem Unglück anheim. Wenn er die Wahrheit sagt, wird er zwar immer noch sterben, aber davor hat er den anderen und sich selber geholfen zu leben.
In einjähriger Probezeit haben wir das Stück gemeinsam erarbeitet und können unser Abendprogramm mit einer Eigenproduktion bereichern. Die Premiere am 29. Oktober 2016 war ein voller Erfolg, auch die weiteren Aufführungen waren stets ausverkauft.
Das Camus Ensemble besteht aus erfahrenen Spielern, die gerne Erwachsenenstücke aufführen. Von Antigone über Die Dreigroschenoper (Berthold Brecht) bis Wie man Wünsche beim Schwanz packt (Pablo Picasso) gehörten dazu. Das Camus-Ensemble besteht aus:
Martha: Jutta Frick
Die Mutter: Martina Töpfer-Widmann
Jan: Thomas Töpfer
Maria: Mimi Banitsch
Den Knecht: Neri Drescher
Regie, Figurenbau: Andreas Banitsch
Bühnentechnik: Jürgen Segelbacher